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E-Mail-Projekte im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht

Eine Publikation von Felix Bubenheimer


Inhalt

Verzeichnis der Darstellungen


1. Einführung

1.1. Warum E-Mail im DaF-Unterricht?

1.2. Einsatzmöglichkeiten von E-Mail im Sprachunterricht

1.2.1. Klassenpartnerschaften

1.2.2. Beteiligung an Diskussionsforen

1.2.3. Fragebogenaktionen

1.2.4. Simulationen

1.2.5. Bildungsnetzwerke

1.3. Zum Stand der Wissenschaft


2. Wie funktioniert ein E-Mail-Projekt?

2.1. Technische Voraussetzungen

2.2. Der organisatorische Rahmen

2.2.1. Zielsetzung

2.2.2. Partnersuche

2.2.3. Absprache

2.2.4. Durchführung mit den SchülerInnen

2.2.5. Auswertung

2.3. Drei Projektbeispiele

2.3.1. "Das Bild des Anderen"

2.3.2. Themenzentrierte Diskussionen

2.3.3. "Zusammenleben"


3. Zum Sinn von E-Mail-Projekten im Fremdsprachenunterricht

3.1. Das sprachliche Curriculum

3.1.1. Die vier Grundfertigkeiten

3.1.2. Die Sprache der elektronischen Post

3.2. Das landeskundliche Curriculum

3.3. Die Motivation der Lernenden


4. Methodik des E-Mail-Einsatzes

4.1. Zur Rolle der Lehrenden

4.2. Entscheidungsvariablen für E-Mail-Projekte

4.2.1. Zeitraum

4.2.2. Beteiligung von MuttersprachlerInnen?

4.2.3. Bi- oder Multilateralität

4.2.4. Einzel- oder Gruppenarbeit

4.2.5. Festlegung der Inhalte

4.2.6. Interdisziplinarität

4.2.7. Kontrolle durch die Lehrenden

4.2.8. Einsatz weiterer Medien

4.3. E-Mail als integrale Komponente des DaF-Unterrichts?


5. Möglichkeiten und Grenzen des E-Mail-Einsatzes im DaF-Unterricht

5.1. Nutzen von E-Mail-Projekten

5.2. Kosten von E-Mail-Projekten


6. Schlussbetrachtung


Bibliographie

Anmerkungen zur Zitierweise


 

Verzeichnis der Darstellungen

1) Ziele des E-Mail-Einsatzes im DaF-Unterricht

2) Schematischer Ablauf eines E-Mail-Projekts

3) Training sprachlicher Grundfertigkeiten durch E-Mail-Projekte

4) Einbettung eines E-Mail-Projekts in den Landeskundeunterricht

5) Übersicht über Entscheidungsvariablen für E-Mail-Projekte

6) Vorschlag zur integralen Einbindung von E-Mail-Projekten in einen Lehrgang für Deutsch als Fremdsprache

7) Leistungsfähigkeit von E-Mail für den Fremdsprachenunterricht

8) Für den E-Mail-Einsatz im Unterricht zu betreibender Aufwand



1. Einführung

Das Zeitalter des Internet ist angebrochen, und auch in die Schulen und andere Bildungseinrichtungen hält dieses weltweite Kommunikationsnetz mehr und mehr Einzug. Denn auch für den Unterricht eröffnen die neuen Kommunikationstechnologien interessante Perspektiven - ganz besonders auch für den Fremdsprachenunterricht. Ihm bietet das Internet schnellen und direkten Zugriff auf verschiedenste Ressourcen in der Zielsprache und aus dem Zielkulturraum, und E-Mail, die elektronische Post, ermöglicht schnelle und kostengünstige Kommunikation mit MuttersprachlerInnen oder anderen FremdsprachenlernerInnen in aller Welt.

Die vorliegende Arbeit soll aufzeigen, wie dieses neue Medium E-Mail im Unterricht des Deutschen als Fremdsprache gewinnbringend eingesetzt werden könnte, was bei der Durchführung von Projekten per elektronischer Post zu berücksichtigen ist und wo die Grenzen des E-Mail-Einsatzes liegen.



1.1. Warum E-Mail im DaF-Unterricht?

Was E-Mail leistet, ist der schnelle, formlose Austausch schriftlicher Texte weltweit. Damit vereinfacht E-Mail die internationale Kommunikation ganz erheblich: Eine Mitteilung muss nur in den Computer getippt werden, und in Sekundenschnelle erreicht sie ihre AdressatInnen selbst auf den fernsten Kontinenten. Dabei ist die elektronische Post auch noch ganz erheblich kostengünstiger als alle übrigen Kommunikationsdienste. Damit ist dieses Medium geradezu prädestiniert für den Einsatz im DaF-Unterricht außerhalb Deutschlands. Allerdings sollte dabei nicht ausschließlich an die Möglichkeit der Kommunikation mit Muttersprachlern gedacht werden, wenn das auch der naheliegendste Gedanke sein mag, sondern auch die Vernetzung von DaF-Lernenden in verschiedenen Ländern kann den Unterricht entscheidend bereichern, wie noch deutlicher zu sehen sein wird (insbesondere in 2.3.1. und 4.2.2.).

Darstellung 1
Darstellung 1: Ziele des E-Mail-Einsatzes im DaF-Unterricht

Der Aspekt der authentischen Kommunikation hat sicher den größten Einfluss auf die Entscheidung, E-Mail im Fremdsprachenunterricht einzusetzen. In einem E-Mail-Projekt findet in der Regel keine Simulation statt (zu Ausnahmen vgl. 1.2.4.), wie sie sonst im Sprachunterricht an der Tagesordnung ist, wenn die SchülerInnen etwa die Aufgabe bekommen, Briefe an fiktive AdressatInnen zu schreiben. Die KorrespondenzpartnerInnen in einem E-Mail-Projekt sind vielmehr konkrete Personen, die die an sie adressierten Mitteilungen wirklich lesen und sogar zurückschreiben, während die Lernenden im traditionellen Unterricht auf ihre mühsam produzierten Texte allenfalls ein paar Korrekturen von der Lehrkraft zurückbekommen.

Und naheliegenderweise erhöht das bei den meisten SchülerInnen auch die Motivation zur aktiven Teilnahme am Fremdsprachenunterricht (vgl. 3.3.), wenn sie wissen, dass sie keine "Sprachproduktion für den Papierkorb" betreiben, wie Lichte (1994: 386) es ausdrückt, sondern ein echtes Publikum haben, mit dem sie auch noch in Interaktion treten können. Andere, die das allein immer noch nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen kann, lassen sich vielleicht von der Aussicht überzeugen, Bekanntschaften in andere Länder zu knüpfen. Und nicht zuletzt dürfte auch das zumindest aus dem Fremdsprachenunterricht noch ungewohnte Medium zumindest am Anfang das Interesse der SchülerInnen erregen.

Für die landeskundliche und interkulturelle Komponente des Sprachunterrichts ist natürlich auch die Authentizität der Inhalte besonders interessant (zum Umgang damit vgl. 3.3.). Es findet Austausch über landes- und kulturspezifische Erfahrungen mit denjenigen statt, die diese Erfahrungen als BürgerInnen des betreffenden Landes und Angehörige des jeweiligen Kulturraums persönlich gemacht haben und aus erster Hand davon berichten können. Dies ermöglicht den Lernenden Einsichten, wie sie wohl aus keinem Lehrbuch zu entnehmen wären.



1.2. Einsatzmöglichkeiten von E-Mail im Sprachunterricht

E-Mail ist ein Medium, mit dem Mitteilungen an einen oder mehrere AdressatInnen gesandt werden können, aber E-Mail kann auch als Schnittstelle zu anderen Diensten im Internet fungieren, insbesondere indem Beiträge an Diskussionsforen geschickt werden, die wiederum für jeden frei aus dem Netz abgerufen werden können. E-Mail hat also mehr zu bieten, als den reinen Schriftwechsel zwischen einem Absender und einem Empfänger. Welche Möglichkeiten des E-Mail-Einsatzes für den Fremdsprachenunterricht von Interesse sein könnten, soll im Folgenden beleuchtet werden.



1.2.1. Klassenpartnerschaften

Die in den Unterrichtskontext eingebundene und von den Lehrenden initiierte Kommunikation zwischen SchülerInnen zweier oder mehrerer Klassen aus verschiedenen Ländern ist wahrscheinlich die interessanteste Anwendungsmöglichkeit von E-Mail im Fremdsprachenunterricht. Auf der Auseinandersetzung mit solchen Klassenpartnerschaften liegt daher auch der Schwerpunkt dieser Arbeit, wenngleich einige der Überlegungen sicher auch für anderweitigen E-Mail-Einsatz Relevanz besitzen. Näheres über die Funktionsweise von E-Mail-Klassenpartnerschaften findet sich in 2.2., Beispielprojekte werden in 2.3. vorgestellt.



1.2.2. Beteiligung an Diskussionsforen

Wie schon erwähnt (und mittlerweile wohl auch allgemein bekannt), sind im Internet fast schon unzählige Diskussionsforen zu den verschiedensten nur denkbaren Themengebieten zu finden, von der politischen Entwicklung im südöstlichen Ozeanien bis zum Austausch übers richtige Abschmecken kulinarischer Köstlichkeiten - aber natürlich findet sich dazwischen auch vieles, was mit Unterrichtsthemen aus dem Sprachunterricht in Verbindung steht.

Technisch können solche Foren im Wesentlichen auf zweierlei Weise realisiert sein: zum einen als sogenannte "Newsgroups", an die jeder Beiträge einschicken kann, die dann, analog einer Zeitung, für einen bestimmten Zeitraum im Internet abgelegt sind und von allen InteressentInnen am Bildschirm konsultiert werden können. Zum anderen gibt es die "Listservs" oder "Mailing lists", die abonniert werden müssen, bevor dann alle Mitteilungen, die einer der Nutzer einsendet, den AbonnentInnen zugeleitet werden. Normalerweise ist dieser Bezug jedoch auch sehr formlos durch ein kurzes E-Mail-Schreiben einzuleiten oder zu beenden.

Allen diesen Varianten ist gemeinsam, dass Beiträge per E-Mail eingeschickt werden können. Sofern die technischen Voraussetzungen zum E-Mail-Einsatz vorliegen (dazu 2.1.), wäre es also denkbar, dass im Rahmen einer bestimmten Unterrichtseinheit die ganze Klasse oder einzelne SchülerInnen Beiträge aus einem thematisch passenden Diskussionsforum lesen und dann selbst ihren Beitrag verfassen und einsenden. Solch ein Projekt könnte auf das Training von Schreib- und Lesefertigkeiten im Zusammenhang mit authentischen Texten oder auch auf die umfassendere Auseinandersetzung mit einem landeskundlichen Thema abzielen. Im Gegensatz zu einer E-Mail-Partnerschaft wäre darin freilich nur die eigene Klasse involviert, ein planmäßiger kommunikativer Austausch würde also nicht stattfinden.

Für den DaF-Unterricht erschwerend ist in diesem Zusammenhang, dass die überwiegende Mehrzahl von Diskussionsforen im Internet englischsprachig sind. Hingewiesen werden soll jedoch auf die Mailing-Liste "TAK auf deutsch", die im Rahmen des "Transatlantischen Klassenzimmers" (TAK), einem Projekt der Hamburger Körber-Stiftung, zur Verfügung gestellt wird. Jugendliche können sich dort individuell auf Deutsch über verschiedene Themen ihres Alltags austauschen, die entweder vom Administrator dieser Liste vorgeschlagen oder spontan von TeilnehmerInnen aufgebracht werden. Zum Mitmachen sind sowohl ganze Klassen als auch einzelne InteressentInnen eingeladen. Nähere Informationen hierzu sind im Internet unter http://home.inreach.com/pfeiffer/de_menue.htm zu finden.



1.2.3. Fragebogenaktionen

Das Versenden von Fragebögen im Internet mit anschließender Auswertung der Antworten ist eine weitere Möglichkeit, E-Mail im Unterricht einzusetzen ohne gleich eine feste Bindung mit auswärtigen Partnern einzugehen. Als Einstiegsprojekt, um mit den Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation vertraut zu werden und den SchülerInnen das Erlebnis authentischen Austauschs mit aller Welt zu bieten, ist solch eine Aktion sicher in Erwägung zu ziehen.

Am Anfang so eines Projektes würde die Formulierung eines Fragebogens stehen. Häufig wird die Klasse dazu in Kleingruppen aufgeteilt, die jeweils Fragen zu einem bestimmten Bereich der Alltagskultur formulieren, etwa über das Schulsystem, besondere Feiertage oder das Familienleben im Land der EmpfängerInnen. Natürlich könnte in Zusammenhang mit einer landeskundlichen Unterrichtseinheit auch nach Auskünften oder persönlichen Einschätzungen zum jeweiligen Thema gefragt werden, beispielsweise zur politischen Einstellung.

Diese Fragebögen müssen dann auf irgendeine Weise übers Internet verschickt werden, so dass möglichst viele potentielle BeantworterInnen erreicht werden. Für den Versand englischsprachiger SchülerInnenfragebögen gibt es eine spezielle und recht populäre Mailing-Liste im Rahmen des IECC-Projekts (vgl. 2.2.2.), die Liste "IECC-Survey" (Informationen dazu im Internet unter http://www.stolaf.edu/network/iecc/). Wer solch eine Aktion auf Deutsch durchführen möchte, müsste sich andere Mittel und Wege überlegen; eine Möglichkeit wäre sicher, über Diskussionsforen für DeutschlehrerInnen (z.B. das IDV-Netz, vgl. 2.2.2.) Klassen zu finden, deren SchülerInnen den Fragebogen beantworten könnten.

Wenn dies gelingt, werden die eigenen SchülerInnen per E-Mail Antworten auf ihre Fragen erhalten, können diese, möglicherweise wiederum in Kleigruppen, zusammenfassen und die Ergebnisse im Unterricht präsentieren.



1.2.4. Simulationen

Wenngleich dies eine der ganz großen Stärken des Mediums ist, muss E-Mail natürlich nicht zwingend zu authentischer Kommunikation genutzt werden. Auch die reine Simulation eines Kommunikationsprozesses kann per E-Mail unter Umständen schon interessanter und etwas realitätsnaher durchgeführt werden als innerhalb der Grenzen des Klassenzimmers.

Solch ein Projekt beschreibt Johnson (1996): Seine Wirtschaftsstudierenden in Finnland üben die englischsprachige Geschäftskorrespondenz ein, indem sie und ihre ausländischen E-Mail-PartnerInnen nach den Vorgaben des Dozenten fiktive Geschäftspartner spielen, die miteinander kommunizieren. Was die StudentInnen schreiben, ist damit natürlich nicht mehr in dem Sinne authentisch, dass sie als sie selbst schreiben würden, denn sie übernehmen ja fiktive Rollen. Aber die Authentizität ist insofern doch schon relativ hoch, als tatsächlich interkulturell, mit noch unbekannten, ausländischen PartnerInnen kommuniziert wird, wie es auch im wirtschaftlichen Berufsleben geschieht. Dies könnte etwa ein Rollenspiel im Klassenzimmer unter den Lernenden eines einzelnen Kurses nicht leisten.



1.2.5. Bildungsnetzwerke

Neben der freien Nutzung des für alle offenen Internets je nach Geschmack der einzelnen Lehrenden haben sich im englischsprachigen Raum auch professionell betriebene Netzwerke für Bildungseinrichtungen etabliert, die von kommerziellen Telekommunikationsgesellschaften betrieben werden. Das "Learning Network" der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T (mehr dazu in AT&T [o.J.]) und das Netz "Campus 2000" von British Telecom, das in Eck, Legenhausen und Wolff 1995 (74-85) ausführlich vorgestellt wird, vernetzen Schulen in verschiedenen Ländern miteinander und bieten eine Reihe speziell auf deren Bedarf zugeschnittener Dienstleistungen an.

Dazu gehören Datenbanken mit Recherchemöglichkeiten zu unterrichtsspezifischen Themen genauso wie offene Diskussionsforen für die SchülerInnen und fertig vorgeplante Klassenpartnerschaftsprojekte, in die sich interessierte Klassen nur noch einzuklinken brauchen. Viele wertvolle Anregungen auch für frei organisierte E-Mail-Projekte stammen aus diesen Bildungsnetzwerken und auch ein Großteil der vorliegenden Literatur beschäftigt sich mit Projekten, die in solchem Rahmen stattgefunden haben.

Das große Manko der einschlägigen Netze für den DaF-Unterricht ist wiederum, dass die Kommunikationssprache dort in aller Regel Englisch ist. Allerdings versucht laut Donath (1995a: 48) das Londoner Goethe-Institut, britische Deutschlehrende dazu zu bewegen, Campus 2000 auch für den Deutschunterricht zu nutzen. Es könnte sich also lohnen, die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet im Auge zu behalten.



1.3. Zum Stand der Wissenschaft

Da E-Mail eine relativ junge Technologie ist, die erst seit wenigen Jahren eine Verbreitung findet, die ihren Einsatz im Fremdsprachenunterricht interessant macht, ist auch erst vor ein paar Jahren damit begonnen worden, im Sprachunterricht mit E-Mail-Projekten zu experimentieren. Die ältesten, in der Literatur aufgeführten Beispiele datieren vom Beginn der 90er Jahre (insbesondere Tella 1991, s.u.). Und trotz der seit zwei bis drei Jahren rasant fortschreitenden Anbindung auch von Bildungseinrichtungen ans Internet ist die Zahl der bisher realisierten Projekte relativ überschaubar geblieben.

Dementsprechend ist auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit solchen Projekten noch nicht in wünschenswerter Intensität betrieben worden. Veröffentlichungen zu E-Mail-Projekten beschränken sich zumeist auf kürzere Erfahrungsberichte aus der Praxis, ohne dass eine wirklich fundierte Auswertung der betreffenden Projekte nach wissenschaftlichen Maßstäben stattgefunden hätte. Obwohl sich sicher auch daraus tendenzielle Aussagen zu verschiedenen Teilaspekten erschließen lassen, liegen doch noch recht wenig gesicherte Erkenntnisse über den tatsächlichen Nutzen des E-Mail-Einsatzes für einen erfolgreichen Fremdsprachenunterricht vor.

Als Pionierarbeiten auf diesem Gebiet wäre insbesondere auf drei Untersuchungen hinzuweisen: Bereits 1991 hat Seppo Tella, wohl als einer der ersten überhaupt, ein umfangreicheres E-Mail-Projekt im Englischunterricht finnischer Gymnasien initiiert, die er mit Schulen aus den USA und weiteren, nicht-englischsprachigen Ländern vernetzt hat. Dieses Projekt hat er im Rahmen seiner Dissertation (Tella 1991) wissenschaftlich begleitet und insbesondere analysiert, wie Lehrende und Lernende mit dem für sie völlig neuen Medium umgegangen sind und welche Auswirkungen dies auf den Unterrichtsprozess hatte.

Eine weitere recht umfassende Arbeit geht auf die Initiative von Heike Rautenhaus zurück (Rautenhaus, R. Meyer, Lund und M. Meyer 1993), die am Zentrum für pädagogische Berufspraxis der Universität Oldenburg einige deutsche Englischlehrerinnen und -lehrer zusammengebracht hat, die in ihrem Unterricht Erfahrungen mit dem E-Mail-Einsatz gesammelt hatten. Die Ergebnisse dieser Projekte wurden mit Hilfe einheitlicher Fragebögen und weiterer empirischer Verfahren im Hinblick auf verschiedene Teilaspekte ausgewertet.

Noch etwas jüngeren Datums ist die Veröffentlichung von Eck, Legenhausen und Wolff (1995), die neben einer sehr umfassenden Darstellung der technischen und didaktischen Grundlagen von Internet-Projekten im Englischunterricht, wobei sie besonderes Gewicht auf die Vorstellung der in 1.2.5. beschriebenen Bildungsnetzwerke legen, vor allem auf die Sprache der E-Mail-Korrespondenz eingehen (vgl. 3.1.2.) und die Einstellungen von Lehrenden und Lernenden zu solchen Projekten ergründen (vgl. 3.3.).

Sowohl bei diesen Studien als auch bei den einfachen Erfahrungsberichten dreht sich allerdings nahezu alles um englischsprachige Projekte. Im DaF-Bereich liegen zwar inzwischen diverse ausgearbeitete Vorschläge für E-Mail-Projekte vor (vgl. 2.3.1. und 2.3.3.), von denen einige auch schon in die Tat umgesetzt wurden, doch mangelt es noch sehr an einer wissenschaftlichen Auswertung DaF-spezifischer Projekte. In den einschlägigen Fachzeitschriften für Deutsch als Fremdsprache etwa war hierzu in den letzten Jahren so gut wie gar nichts zu lesen.

Es wird also vorerst nötig sein, häufig auf Erkenntnisse aus englischsprachigen Projekten zurückzugreifen. In vielen Punkten sind diese Erkenntnisse sicher auch auf den Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen übertragbar. Gerade was die sprachlichen Eigenschaften der E-Mail-Briefe (vgl. 3.1.2.) anbetrifft, besteht an Analysen deutschsprachiger Korrespondenz aber mit Sicherheit noch großer Bedarf.

Im Übrigen wäre noch zu erwähnen, dass bereits in größerem Umfang Studien zu allgemeineren, nicht fremdsprachenspezifischen Aspekten des Einsatzes von Internet und E-Mail im schulischen Unterricht vorliegen. Als relativ leicht zugängliches Beispiel sei auf die Staatsexamensarbeit von Anke Scholz (1995) zum Thema "Internet und Unterricht" hingewiesen, die komplett im Internet abrufbar ist.



2. Wie funktioniert ein E-Mail-Projekt?

Bevor in Kapitel 3 im Einzelnen der Sinn und Zweck des E-Mail-Einsatzes im DaF-Unterricht erörtert werden wird, soll hier zunächst einmal dargestellt werden, wie eigentlich die praktische Durchführung eines E-Mail-Projektes aussieht. Wiederum steht dabei die Projektform Klassenpartnerschaft im Mittelpunkt.



2.1. Technische Voraussetzungen

Nur oberflächlich soll hier auf die technischen Voraussetzungen für den E-Mail-Einsatz im Unterricht eingegangen werden. Ausführlich gehen hierauf etwa Kappe und Witthinrich (1995) ein, während sich Alischer (1993) mit technischen Problemen auseinandersetzt, die Lehrende beim praktischen Einsatz der E-Mail-Technologie hatten.

Der alles entscheidende Punkt ist natürlich der Anschluss der Bildungseinrichtung ans Internet. In der Schule müssen Computer vorhanden sein, über die E-Mail-Nachrichten abgesetzt und empfangen werden können. Wenngleich sich auf diesem Gebiet momentan sehr viel tut, ist das in Deutschland im Bereich der allgemeinbildenden Schulen noch keineswegs flächendeckend gewährleistet, im Hochschulbereich sieht es hingegen schon wesentlich besser aus. So ähnlich stellt sich die Situation auch in einigen anderen Ländern dar, während es jenseits des nordamerikanisch-westeuropäischen Raums um die Vernetzung noch wesentlich dürftiger bestellt ist. Halonen (1995) hat allerdings auch schon ermutigende Erfahrungen damit gesammelt, dass die Texte in der Schule nur getippt, er sie aber, auf Diskette gespeichert, von seinem privaten Internetanschluss zu Hause aus abgeschickt und eingehende Briefe von den PartnerInnen auch dort empfangen hat.

Wenn nun eine Einrichtung den Internetanschluss hat, so stellt sich aber immer noch die Frage, ob es im Rahmen des Sprachunterrichts möglich ist, vernünftig am Computer zu arbeiten. Damit ohne ohne allzu große Reibungsverluste gearbeitet werden kann, sollten so viele Geräte zur Verfügung stehen, dass zumindest ein signifikanter Teil der Klasse, im Idealfall alle Schüler, gleichzeitig am Computer tätig sein können. Dabei müssen nicht zwingend alle Rechner direkt am Internet hängen, die Schüler können natürlich "off-line" lesen und schreiben und die Texte per Diskette zwischen ihrem Terminal und dem Internetrechner transportieren.

Aber auch solch eine Ausstattung wird in den wenigsten Fremdsprachenunterrichtsräumen anzutreffen sein. Folglich müssen wohl einige Unterrichtsstunden in einen Computerraum verlegt werden. Je nach den örtlichen Gegebenheiten kann das durchaus problematisch werden, denn der DaF-Lehrende wird gewiss nicht der einzige Anwärter auf die zur Verfügung stehende Computerkapazität sein.

Und selbst wenn alle Voraussetzungen vorhanden sind, kann es nicht unbedingt gleich losgehen - zunächst müssen die Lehrenden schließlich sich und ihre SchülerInnen in den Umgang mit Hard- und Software einarbeiten. Dieser Punkt könnte sich mit der zunehmenden Technisierung aller möglichen Lebensbereiche und dem damit einhergehenden Anwachsen der allgemein voraussetzbaren informationstechnischen Fertigkeiten allerdings in absehbarer Zeit von selbst erledigen.

2.2. Der organisatorische Rahmen

Eine der größten Hürden, die vor der erfolgreichen Realisierung eines E-Mail-Projektes zu überwinden sind, ist die sorgfältige Planung und Organisation. Ein Projekt, an dem mehrere Partner in verschiedenen Ländern beteiligt sein sollen, kann ein Lehrender natürlich nicht einfach von heute auf morgen in seinem Unterricht ansetzen. Es bedarf vielmehr einer Reihe von Planungsschritten, die im Folgenden näher erläutert werden.

Darstellung 2
Darstellung 2: Schematischer Ablauf eines E-Mail-Projekts

Interessante Hinweise auf Beachtenswertes bei der Organisation eines E-Mail-Projektes liefern auch die "Golden rules for successful E-Mail-projects" von Donath (1994a: 56).



2.2.1. Zielsetzung

Der erste Schritt zum erfolgreichen E-Mail-Projekt ist die durchdachte Formulierung von dessen Zielsetzung. Bevor ein Lehrender darangehen kann, Partner im Ausland zu suchen und sein Projekt im Unterricht zu realisieren, sollte er sich zunächst überlegen, was er damit eigentlich bezwecken möchte. Davon hängt es schließlich auch ab, welcher Art das Projekt im Endeffekt sein soll (vgl. 4.2.).

Es gilt also Lernziele zu definieren, die bei den Schülern durch die Beteiligung am E-Mail-Projekt erreicht werden sollen. Diese können zum einen sprachlicher (vgl. 3.1.), zum anderen landeskundlicher (vgl. 3.2.) und interkultureller Natur sein, wobei in der Regel alle diese Bereiche mehr oder weniger stark einbezogen werden dürften. Wesentlich ist dabei die sinnvolle Verknüpfung dieses Projektes mit dem sonstigen Unterricht. So können landeskundliche Lernziele an eine Unterrichtseinheit gekoppelt sein, im Rahmen derer das betreffende Thema zugleich mit Lehrbuchtexten oder anderen herkömmlichen Medien angegangen wird. Im sprachlichen Kontext wird es besonders wichtig sein, von vorneherein zu entscheiden, ob deutsche Muttersprachler einbezogen werden sollen oder nur verschiedene fremdsprachliche Deutschklassen (vgl. 4.2.2.). Möglicherweise wären auch Absprachen mit Vertretern anderer Unterrichtsfächer zu treffen, wenn ein fächerübergreifendes Projekt (vgl. 4.2.6.) in Erwägung gezogen wird.

Auch Umfang und Dauer des Projektes sollten im Voraus abgesteckt werden (vgl. 4.2.1.). Wenn es darum geht, erste Erfahrungen mit E-Mail zu sammeln, dürfte eher ein kleineres "Schnupperprojekt" von Interesse sein. Dabei können dann erste Eindrücke vom Umgang der Lernenden, aber auch der Lehrenden selbst mit diesem Medium und ihrer Haltung zu solch einem Projekt gewonnen werden, die anschließend in die Planung einer umfangreicheren Maßnahme einfließen könnten.

Zusammenfassungen der für sie jeweils relevanten Ziele beim E-Mail-Einsatz im Fremdsprachenunterricht liefern etwa Donath (1993: 34), Sanftenberg (1993: 33) sowie das Goethe-Institut ([o.J.]j) und das IECC-Projekt (IECC 1994).

2.2.2. Partnersuche

Zu einer E-Mail-Klassenpartnerschaft gehören natürlich mindestens zwei. Ein Lehrender, der solch ein Projekt realisieren möchte, muss also auf irgendeinem Wege eine oder auch mehrere Partnerklassen finden. Das Naheliegendste wird dabei wohl sein, auf Klassen zurückzugreifen, zu denen bereits in irgendeiner Form Kontakte bestehen, sei es dass regelmäßiger Schüleraustausch stattfindet oder dass früher schon gemeinsame Projekte durchgeführt worden sind. Aber in vielen Fällen dürfte diese Schiene schon daran scheitern, dass an einer der Schulen die technischen Voraussetzungen für ein E-Mail-Projekt gar nicht gegeben sind (vgl. 2.1.).

Recht aussichtsreich ist es hingegen, sich an eine der Institutionen zu wenden, die die Durchführung solcher Projekte fördern wollen. Im DaF-Bereich kommen dafür insbesondere das Goethe-Institut und das "European Schools Project" (ESP; vgl. 2.3.1.) in Frage. Im Auftrag des Goethe-Institut hilft dessen Projektkoordinator Reinhard Donath bei der Suche nach Partnerklassen, dazu braucht nur das Online-Anmeldeformular unter http://www.goethe.de/z/ekp/deanmeld.htm ausgefüllt zu werden. Kontakt zu potentiellen Partnerschulen in den meisten europäischen Ländern können auch die jeweiligen KoordinatorInnen des ESP herstellen, eine Übersicht ist im Internet unter http://www.esp.educ.uva.nl/members.htm#org zu finden. Speziell für das unter 2.3.1. beschriebene ESP-Projekt "Das Bild des Anderen" gibt es sogar eine eigene Mailing-Liste (vgl. zum Prinzip der Mailing-Listen 1.2.2.), die insbesondere der Vermittlung von E-Mail-Klassenpartnerschaften dient. Näheres darüber ist unter http://www.bild-online.dk/mail1.htm im Internet nachzulesen. Außerdem bieten die KoordinatorInnen dieses Projektes auf der Internet-Seite http://www.bild-online.dk/mail2.htm diverse weitere Tipps und Links zum Finden einer passenden Partnerklasse.

Einen Versuch könnte es auch wert sein, eine Anfrage an die Diskussionsforen des Internationalen Deutschlehrer-Verbandes ("IDV-Netz"; Informationen im Internet unter http://www.wlu.ca/~wwwidv/netz.html) oder des Verbandes der amerikanischen DeutschlehrerInnen ("AATG"; Näheres im Internet unter http://www.goethe.de/z/listserv/delis004.htm) zu richten, worüber zahlreiche FachkollegInnen in aller Welt erreicht werden können.

Eine weitere Möglichkeit zur Kontaktaufnahme wäre es, eine Mitteilung an eine der internationalen (d.h. nicht speziell deutschsprachigen) Mailing-Listen im Internet zu senden, die der E-Mail-Partnervermittlung dienen, bzw. eine solche zu abonnieren. Sehr weit verbreitet sind die Mailing-Listen des Projekts "Intercultural E-Mail Classroom Connections" (IECC; vgl. auch 1.2.3.), das vom St. Olaf College in Northfield, Minnesota (USA) organisiert wird. Die beiden Listen "IECC" für den Bereich der allgemeinbildenden Primar- und Sekundarschulen und "IECC-HE" für den Fach- und Hochschulbereich dienen ausschließlich der Verbreitung von Gesuchen nach Partnern für E-Mail-Projekte im Unterricht jeglicher Fremdsprachen. Nähere Information dazu finden sich im Internet unter http://www.stolaf.edu/network/iecc/.

Das "International Tandem Network" (Homepage: http://www.slf.ruhr-uni-bochum.de/) beschäftigt sich, wie der Name schon sagt, mit dem Sprachenlernen im Tandem, also in der Regel zwischen zwei Personen, die die Muttersprache des jeweils anderen als Fremdsprache lernen möchten und sich durch regelmäßigen Austausch in beiden Sprachen dabei gegenseitig unterstützen. Dieses Tandem Network betreibt eine Partnervermittlung (E-Mail: tandem@slf.ruhr-uni-bochum.de), die in erster Linie bemüht ist, Kontakte zwischen individuellen InteressentInnen unterschiedlicher Muttersprache und jeglichen Alters herzustellen. Aber auch zum Einsatz von E-Mail-Tandems im Zusammenhang mit schulischem Fremdsprachenunterricht bietet das Tandem-Netzwerk auf einer besonderen Homepage (http://www.slf.ruhr-uni-bochum.de/email/ll/index.html) interessante Anregungen und Informationen, einschließlich des Verweises auf die besagte Partnervermittlung.

In jedem Fall sollte bei der Auswahl geeigneter Partner neben dem beidseitigen Interesse am fraglichen Projekt und Einigkeit über die Zielsetzung auch darauf geachtet werden, dass die Lernenden im Hinblick auf Alter und sprachliches Niveau (soweit es sich nicht um Muttersprachler handelt) vergleichbar, die Klassen ähnlich groß und die zeitlichen Rahmenbedingungen (vgl. 2.2.3.) vereinbar sind.



2.2.3. Absprache

Stehen die Partner erst einmal fest, so bleiben noch die Einzelheiten des Projektablaufs möglichst präzise abzustecken, bevor das Projekt erfolgreich in die Tat umgesetzt werden kann. Einerseits sind natürlich die inhaltlichen, thematischen Aspekte und die angestrebten Ergebnisse zu klären und die Entscheidungsvariablen zu setzen (vgl. 4.2.). Ganz wesentlich ist aber auch, den zeitlichen Ablauf genau abzusprechen. Es sollte von vornherein klar sein, in welchen Unterrichtsstunden an welchen Tagen die Partner sich jede Woche jeweils mit der E-Mail-Korrespondenz beschäftigen, eingegangene Briefe lesen und ihre eigenen verschicken werden. Nur wenn ein Lehrender weiß, an welchem Tag mit frischen Texten von den PartnerInnen zu rechnen ist, kann er in seinem eigenen Unterricht adäquat Zeit für die produktive Tätigkeit seiner SchülerInnen einplanen. Geklärt werden sollte unbedingt auch, ob es Zeiten gibt, zu denen sich eine der Klassen vorübergehend gar nicht beteiligen kann, weil vor Ort etwa Ferien sind oder Prüfungstermine Vorrang genießen.

Nichts ist für Lernende ärgerlicher, die hochmotiviert an ihr Projekt herangehen und E-Mail-Briefe abschicken, als wenn dann wegen mangelnder Absprache zwischen den Lehrenden die mit Spannung erwarteten Antworten der PartnerInnen ausbleiben oder "ewig" auf sich warten lassen.



2.2.4. Durchführung mit den SchülerInnen

Ist nun unter den beteiligten Lehrenden alles, was sich im Vorfeld klären lässt, abgesprochen, so ist es an der Zeit, an die Lernenden heranzutreten und sie auf das Projekt einzustellen. Auch sie müssen natürlich zunächst vorbereitet werden, bevor der praktische E-Mail-Austausch beginnen kann. Einerseits muss ihnen erklärt werden, welche Vorgehensweise vorgesehen ist und was ihre Aufgaben sein werden. Andererseits bedarf es in vielen Fällen auch einer fachlichen Vorbereitung: Bestimmte sprachliche Strukturen, die entweder für die E-Mail-Kommunikation allgemein relevant sind (vgl. 3.1.2.) oder für das Thema, das Gegenstand des Austausches sein wird, benötigt werden, müssen vermittelt bzw. wiederholt werden und in landeskundlicher Hinsicht muss in das betreffende Thema eingeführt werden.

Außerdem kann es sinnvoll sein den SchülerInnen klar zu machen, dass die von ihnen zu produzierenden Texte nunmehr im Gegensatz zum herkömmlichen Unterricht von echten AdressatInnen rezipiert werden und damit auch gut oder aber weniger gut aufgenommen werden können. In diesem Zusammenhang sollte auch thematisiert werden, welches sprachliche Register zu gebrauchen angebracht wäre, um eine unbeabsichtigte Provokation der PartnerInnen zu vermeiden (vgl. auch 4.2.7.). Es könnte auch hilfreich sein, der Klasse eine Art Verhaltenskodex für das E-Mail-Projekt an die Hand zu geben bzw. einen solchen gemeinsam zu erarbeiten. Als Anhalt könnte etwa die "TAKiquette" (Transatlantisches Klassenzimmer [o.J.]) dienen, eine Etikette für Teilnehmer an der Mailing-Liste "TAK auf deutsch" (vgl. 1.2.2.).

Die Phase der echten Kommunikation sollte zweckmäßigerweise mit der gegenseitigen Vorstellung der Partner auf beiden Seiten beginnen. Donath (1994a: 56) weist auch darauf hin, dass ein E-Mail-Austausch für die SchülerInnen befriedigender verläuft, wenn sie über die gesamte Laufzeit des Projektes die gleichen, festen KorrespondenzpartnerInnen haben und diese eingangs einigermaßen gut kennen lernen konnten, auch etwa durch den Austausch von Fotos (vgl. 4.2.8.). Ähnliches empfiehlt das Goethe-Institut ([o.J.]i).

Daran anschließen wird sich die eigentliche inhaltliche Arbeit, die je nach Art des Projektes natürlich ganz unterschiedlich aussehen kann. Dabei wird die Lehrperson die SchülerInnen einerseits bei der unmittelbaren Kommunikation mit ihren PartnerInnen, also dem Lesen und Schreiben der E-Mail-Briefe, unterstützen (vgl. 4.1.) und andererseits wird im Unterricht immer wieder auf die ausgetauschten Informationen eingegangen und gegebenenfalls mit begleitenden Materialien gearbeitet werden (vgl. 3.2.). Gleichzeitig sollten die Lehrenden aus den verschiedenen Ländern auch untereinander intensiven Kontakt halten, sich über die Stimmung in ihren Klassen austauschen und flexibel genug sein, ihre Konzeption noch einmal zu überdenken, falls irgendwelche Schwierigkeiten auftreten sollten, um das Projekt dann notfalls in überarbeiteter Form weiterzuführen.

Ist die Phase des Informationsaustausches abgeschlossen, so steht noch die Aufbereitung der Ergebnisse aus. Entweder können die Beteiligten schlicht in Referatform präsentieren, zu welchen Ergebnissen sie das Projekt geführt hat, oder aber es wird, in den einzelnen Klassen separat oder weiterhin gemeinsam, ein Dokument erstellt, das die Ergebnisse zusammenfasst. Das kann eine Broschüre oder Zeitung sein, die dann an alle Beteiligten versandt wird, oder auch eine Homepage im Internet, sofern die Lehrenden in der Lage sind und die technischen Möglichkeiten gegeben sind, so etwas zu realisieren.

Eine detaillierte, stichwortartige Zusammenstellung wesentlicher Punkte bei der Durchführung eines E-Mail-Projektes liefert im Übrigen Feldner (o.J.).



2.2.5. Auswertung

Um aus den gemachten Erfahrungen für zukünftige Projekte lernen zu können, liegt es nahe, einem abgeschlossenen E-Mail-Projekt noch eine Auswertung folgen zu lassen. Der wichtigste Punkt dabei wird natürlich die Feststellung sein, inwieweit die mit dem Projekt verbundenen Lernziele tatsächlich erreicht worden sind. Sofern dabei nennenswerte Defizite zu Tage treten, wäre es wünschenswert die Gründe dafür aufzudecken. Nicht immer werden diese ganz offenkundig sein, doch zumindest wäre zu überlegen, ob die Mängel auf eine fehlerhafte bzw. nicht ausreichend zielgerichtete anfängliche Planung oder auf Abweichungen vom Konzept in der praktischen Durchführung zurückzuführen sein könnten.

Auf der anderen Seite wäre es sicher auch interessant festzustellen, was die SchülerInnen von dem Projekt gehalten haben, was ihnen gut und was weniger gefallen hat und was sie sich von zukünftigen Projekten wünschen würden. Auch mit den anderen Lehrenden, die beteiligt waren, sollte noch einmal abschließend über das zu Ende gegangene Projekt und die Zusammenarbeit reflektiert werden. Aufbauend auf solch einer Auswertung kann dann im Idealfall ein noch besseres Konzept für das nächste E-Mail-Projekt erarbeitet werden.



2.3. Drei Projektbeispiele

Natürlich ist niemand verpflichtet, ein E-Mail-Projekt nach irgendwelchen festen Vorgaben durchzuführen, sondern jedes Projekt kann individuell zwischen den beteiligten Partnern abgesprochen und auf deren Bedürfnisse zugeschnitten werden (dazu ausführlich 4.2.). Aber selbstverständlich gibt es dennoch bestimmte Projektformen, die sich in der Praxis bereits bewährt haben und als gute Ausgangsbasis für eigene Projekte herangezogen werden können.

Drei solcher schablonenartiger Projektbeispiele, anhand derer sich auch ein Eindruck von der Bandbreite der E-Mail-Einsatzmöglichkeiten im Fremdsprachenunterricht gewinnen lässt, sollen im Folgenden vorgestellt werden. Zwei davon (2.3.1. und 2.3.3.) sind dabei von Institutionen ausgearbeitet worden, die E-Mail-Partnerschaften fördern möchten und auch bei der Vermittlung ausländischer Partnerklassen behilflich sein können (mehr dazu bei den einzelnen Beispielen sowie in 2.2.2.).

Eine weitere Quelle für Projektvorschläge wäre die Ressourcen-Datenbank "Projekte mit telematischer Komponente" des "Deutschen Bildungsservers" (Internet-Leitseite http://www.dbs.schule.de/), der vom Verein Deutsches Forschungsnetz und der Berliner Humboldt-Universität betrieben wird und verschiedene Informationsangebote rund um Schule und Unterricht bereitstellt. An diese Datenbank, die unter der Internet-Adresse http://dbs.schule.de/db/projekte.html zu erreichen ist, können nach Unterrichtsfach und Klassenstufe spezifierte Anfragen gerichtet werden. Daraufhin wird eine Liste der gespeicherten Entwürfe für Internet-Projekte im Schulunterricht ausgegeben, häufig mit Verweisen auf ausführlichere Informationsquellen im Internet und kompetente AnsprechpartnerInnen. Auch können Lehrende ihre eigenen Projektanregungen in der Ressourcen-Datenbank publizieren.



2.3.1. "Das Bild des Anderen"

Hierbei handelt es sich um einen Vorschlag des "European Schools Project" (ESP) für ein Projekt zwischen DaF-Anfangsklassen aus verschiedenen europäischen Ländern. Dokumentiert ist es etwa in Peters (1995) und European Schools Project (o.J.). Einen besonders umfassenden Einblick bieten die Projekt-Seiten im World Wide Web (Einstieg über http://www.freenet.hut.fi/projektit/DasBild/), dort finden sich auch Verweise auf die bereits auf Deutsch und in mehreren anderen Sprachen vorliegenden Unterrichts- und Vorbereitungsmaterialien für Lehrende, die solch ein Projekt mit ihrer Klasse durchführen möchten (mehr darüber auch auf der Einstiegsseite zur vorliegenden Arbeit).

Das ESP will die grenzüberschreitende Kooperation von Schulen in Europa fördern und ist in den einzelnen Ländern durch örtliche KoordinatorInnen vertreten, die auch den Kontakt zu möglichen Partnern im jeweiligen Land herstellen können (vgl. 2.2.2.).

Grundidee von "Das Bild des Anderen" ist es, dass DaF-Lernende aus in der Regel zwei verschiedenen Ländern sich auf Deutsch über Kultur und Lebensweise in ihren Heimatländern austauschen und auch persönlichen Kontakt knüpfen. Dazu wird angeregt, neben der elektronischen Korrespondenz auch Videos, auf denen alle Beteiligten sich in Wort und Bild vorstellen, Zeichnungen u.ä. auszutauschen (vgl. auch 4.2.8.), um ein noch besseres Kennenlernen zu ermöglichen. Im Idealfall gipfelt das Projekt in gegenseitigem Besuch der Partnerklassen. Erfolgreich durchgeführt wurde dies schon einige Male, u.a. zwischen Klassen aus Dänemark und den Niederlanden bzw. Finnland.

Mit diesem Projekt ist einerseits das Ziel verbunden, dass die Deutschlernenden bereits in nicht allzu fortgeschrittenem Stadium Gelegenheit bekommen, das Gelernte gleich praktisch anzuwenden, und zwar in der Kommunikation mit anderen DaF-AnfängerInnen, um Assymmetrien zu vermeiden, die beim Austausch mit sprachlich wesentlich weiter Fortgeschrittenen oder gar MuttersprachlerInnen rasch auftreten könnten (vgl. 4.2.2.). Andererseits geht es um das bessere Kennenlernen einer weiteren europäischen Kultur und die Überwindung interkultureller Stereotypen (dazu auch 3.2.).



2.3.2. Themenzentrierte Diskussionen

Solch ein Projekt eignet sich besonders gut für die multilaterale Zusammenarbeit zwischen mehr als zwei Partnern, kann aber auch bilateral durchgeführt werden. Themenzentrierte Diskussionen gehören wohl zu den am häufigsten durchgeführten E-Mail-Projekten und dienen in erster Linie der allgemeinen Sprachpraxis sowie der Konfrontation mit unterschiedlichen, kulturspezifischen Sichtweisen auf Gegenstände des mehr oder weniger alltäglichen Lebens. Da sie nicht eng an bestimmte Unterrichtsinhalte gekoppelt sein müssen, erfordern sie keinen allzu großen Vorbereitungsaufwand.

Zunächst werden Kleingruppen gebildet, die sich aus je einem oder mehreren Lernenden aus jeder der beteiligten Klassen zusammensetzen. Diese stellen sich gegenseitig vor und wählen dann ein Thema, dessen Erscheinungsformen und Bedeutung in den jeweiligen Kulturräumen sie erörtern wollen. Häufig geben die Lehrenden Listen möglicher Themen vor, aus denen die Gruppen sich eines aussuchen sollen, mitunter wird den SchülerInnen aber auch völlig freie Hand bei der Auswahl gelassen. Dabei kann die Themenbandbreite vom Freizeitverhalten der Jugendlichen über politische Fragen bis zur Religion reichen. Handelt es sich bei allen Partnerklassen um stärker fachlich orientierte Kurse, etwa zum Wirtschaftdeutschen, so können die Themen natürlich auch diesem Gegenstandsbereich entnommen werden. In vielen Fällen werden die Ergebnisse der Diskussionen abschließend mündlich oder schriftlich in den Klassen präsentiert. Auf der Basis solch einer Präsentation könnte dann unter Umständen auch eine Beurteilung der Schülerleistungen stattfinden (dazu Vilmi 1994: 5; vgl. auch 4.1.).

Ein Beispiel für ein praktisch umgesetztes Projekt dieses Typs wird in Vilmi (1994) beschrieben; die Teilnehmer eines ähnlichen Austauschs zwischen den Universitäten Münster (Deutschland) und Shizuoka (Japan) haben sogar ihre gesamte E-Mail-Korrespondenz im Internet veröffentlicht, ihre Web-Seite ist mittlerweile jedoch leider nicht mehr zugänglich. Im Übrigen handelt es sich in beiden Fällen um englischsprachige Projekte.



2.3.3. "Zusammenleben"

Dieser Projektvorschlag stammt vom Goethe-Institut ([o.J.]g), das im Übrigen auf seinen Internet-Seiten noch einige weitere, DaF-spezifische Anregungen für E-Mail-Projekte mit verschiedenen Zielsetzungen und für verschiedene Niveaustufen bereithält (vgl. Goethe-Institut [o.J.]d/e/f); leider ist dort nichts über eventuell bereits erfolgte Realisierungen dieser Vorschläge in der Praxis überliefert.

"Zusammenleben" ist als interdisziplinäres Projekt gedacht, an dem neben dem fremdsprachlichen Deutsch- auch der Sozialkundeunterricht beteiligt werden sollte. Bei den teilnehmenden Schülern werden fortgeschrittene Deutschkenntnisse vorausgesetzt, so dass die Kommunikation über fachbezogene Inhalte nicht an sprachlichen Defiziten scheitern muss. Ziel ist es, sich über multikulturelles Zusammenleben und den Umgang mit Ausländern in den Heimatländern der Teilnehmer zu informieren. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Informationsbeschaffung aus Zeitungen und anderen papiernen Dokumenten, aber auch aus dem Internet, und der Austausch über die hieraus gewonnen Informationen mit den Partnern im Ausland. Damit wird unterstrichen, dass es nicht um die reine Diskussion subjektiver Einschätzungen der Teilnehmer geht, sondern um eine objektive Aufklärung der Daten und Fakten, die auch den fachlichen Ansprüchen des Sozialkundeunterrichts genügen soll. Die deutsche Sprache dient dabei als Werkzeug zur fachbezogenen Kommunikation (vgl. 4.2.6.).



3. Zum Sinn von E-Mail-Projekten im Fremdsprachenunterricht

In diesem Kapitel soll untersucht werden, was der Fremdsprachenunterricht durch den Einsatz von E-Mail effektiv gewinnen kann, und zwar sowohl im sprachlichen als auch im landeskundlichen Bereich. Weiterhin wird erörtert, welche Auswirkungen E-Mail-Projekte auf die Motivation der Lernenden haben könnten.



3.1. Das sprachliche Curriculum

Korrespondenz mit E-Mail-PartnerInnen ist sprachliche Kommunikation in einer authentischen Situation. Damit kommt sie einem der wesentlichen Bedürfnisse modernen Fremdsprachenunterrichts nach. Zu erörtern bleibt gleichwohl, welche sprachlichen Fertigkeiten durch die Teilnahme an E-Mail-Projekten konkret trainiert werden (dazu 3.1.1.) und welche sprachliche Formen für E-Mail-Briefe charakteristisch sind und den Lernenden somit im Rahmen eines E-Mail-Projektes nahe gebracht werden können (3.1.2.).

Allerdings wäre zunächst grundsätzlich zu entscheiden, inwieweit in einem konkreten E-Mail-Projekt überhaupt ein besonderer Fokus auf die sprachliche Form gerichtet werden soll - gewiss wird und braucht dies nicht in allen Projekten der Fall sein. Soll die Sprache jedoch gezielt in den Fokus genommen werden, so ist zu überlegen, wie dies am geschicktesten zu bewerkstelligen sei. Auch dazu liefert 3.1.2. Anregungen.



3.1.1. Die vier Grundfertigkeiten

E-Mail-Korrespondenz ist schriftliche Kommunikation und somit können E-Mail-Projekte auch in erster Linie zur Förderung der Schreib- und Lesefertigkeiten beitragen. Diese Einsicht deckt sich auch mit den Ergebnissen einer von Eck, Legenhausen und Wolff (1995: 188) durchgeführten Umfrage zur Selbsteinschätzung von SchülerInnen, die im Englischunterricht an E-Mail-Projekten teilgenommen hatten. Sprechen und Hören spielen hingegen allenfalls in der Unterrichtssituation, in die das Projekt eingebettet ist, eine Rolle.

Schreiben adressatenbezogene Texte, häufig mit Briefcharakter
Lesen authentische Texte, nicht didaktisch aufbereitet
Sprechen E-Mail-Inhalte als Anlass für Unterrichtsgespräche
Hören nur im Unterrichtsgespräch bzw. beim Vorlesen der E-Mail-Briefe

Darstellung 3: Training sprachlicher Grundfertigkeiten durch E-Mail-Projekte

Was die Schreibfertigkeiten betrifft, so lernen die SchülerInnen adressatenbezogen zu schreiben, da sie schließlich an einen ganz bestimmten, real existierenden Adressaten schreiben müssen, wohingegen sich im traditionellen Unterricht zu produzierende Texte in der Regel allenfalls an fiktive AdressatInnen wenden. Da der E-Mail-Brief von seinen EmpfängerInnen tatsächlich gelesen wird, sind die VerfasserInnen stärker in die Pflicht genommen, ihren Text sprachlich und inhaltlich so aufzubereiten, dass er von den EmpfängerInnen auch verstanden wird. Außerdem bekommt die Verfasserin bzw. der Verfasser durch die Reaktion auf den Brief ein gewisses Feedback darüber, ob er verstanden worden ist. Wird dann auch noch von den Lehrenden ein gezieltes Vergleichen von Brief und Antwortbrief veranlasst, so können die Lernenden dadurch noch ganz besonders dazu angeregt werden, sich über die Verständlichkeit ihrer Texte für die AdressatInnen Gedanken zu machen und daraus Konsequenzen für ihr weiteres Schreibverhalten zu ziehen.

Wenngleich sich elektronische Briefe auch in mancher Hinsicht vom klassischen Brief unterscheiden mögen, so besitzen sie dennoch einen gewissen Briefcharakter. Durch formale Vorgaben der Lehrkraft zum Abfassen der E-Mail-Briefe könnte dieser Charakter auch noch verstärkt werden. Somit vermag das E-Mail-Projekt die Fähigkeit der TeilnehmerInnen zum Briefeschreiben in der Fremdsprache zu trainieren.

Die eingehenden E-Mail-Briefe, welche die Lernenden zu lesen bekommen, sind authentische Texte, die nicht - wie Lehrbuch- oder andere von Lehrenden präsentierte Texte - didaktisch aufbereitet sind. Die einzige Verständnishilfe für die LeserInnen ist zunächst nur der mehr oder weniger abgegrenzte thematische Rahmen und nach und nach dann auch die Einbettung in den gesamten längerfristigen Kommunikationszusammenhang im Rahmen des Projektes. Da der Brieftext allein auf der Basis dieses Hintergrundwissens im Zusammenwirken mit weiteren Texterschließungsstrategien wie dem Erschließen von Begriffen aus dem Kontext und dem effektiven Wörterbuchgebrauch von den EmpfängerInnen zu rezipieren ist, bietet es sich geradezu an, solche Strategien zum Umgang mit bestimmten authentischen Texten im Unterricht auch explizit zu thematisieren.

Mit gesprochener Sprache hat E-Mail selbst eigentlich nichts zu tun. Selbstverständlich wird der E-Mail-Austausch aber zahlreiche Sprechanlässe für den Unterricht liefern. Vom Zuhören im Unterrichtsgespräch abgesehen kommt die Fertigkeit des Hörens hingegen praktisch gar nicht zum Tragen. Die einzige Möglichkeit auf Hörverständnis abzustellen, wäre wohl, dass eingehende E-Mail-Briefe vom Lehrenden oder dem jeweiligen Empfänger den anderen vorgelesen werden. In diesem Fall könnte sicherlich auch die Herausbildung von Hörverständnisstrategien zum Unterrichtsgegenstand werden. Im Vordergrund wird dies bei E-Mail-Projekten jedoch kaum stehen.



3.1.2. Die Sprache der elektronischen Post

Im Bereich des Deutschen als Fremdsprache ist der bisherige Erkenntnisstand zum Auftreten spezifischer sprachlicher Strukturen in der E-Mail-Korrespondenz unter Lernenden bedauerlicherweise äußerst dünn. Demgegenüber sind englischsprachige E-Mail-Projekte durchaus schon in Bezug auf die verwendete Sprache ausgewertet worden, so von Eck, Legenhausen und Wolff (1995: 141ff.) im Hinblick auf Wortschatz und grammatische Strukturen oder von Sporea (1993) mit besonderem Augenmerk auf die realisierten sprachlichen Funktionen. Während sich bei letzterer Untersuchung das Ergebnis möglicherweise eher auch auf die deutschsprachige E-Mail-Kommunikation übertragen lässt, so dürfte bei der erstgenannten insbesondere das methodische Vorgehen von Interesse sein.

Eck, Legenhausen und Wolff haben im Anschluss an die Durchführung eines E-Mail-Projektes zwischen einem Englisch-Leistungskurs eines Gymnasiums in Deutschland und amerikanischen MuttersprachlerInnen gemeinsam mit den deutschen SchülerInnen die Sprache der ausgetauschten Briefe analysiert. Dabei sind sie computergestützt vorgegangen: Die ja bereits im Computer gespeicherten Texte wurden mit dem Programm "LONGMAN'S MINICONCORDANCER" ausgewertet. So wurden etwa Wortfrequenzlisten erstellt, Anrede- und Grußformeln betrachtet, besonders häufige Satzanfänge und diskursstrukturierende Partikel (wie and, but, well etc.) herausgesucht und das Vorkommen einzelner Ausdrücke in verschiedenen Kontexten verglichen. Ziel dieser Aktivität war es, im Sinne entdeckenden Lernens auffälige Unterschiede zwischen der Sprache der amerikanischen "native speakers" und der Lernersprache der deutschen SchülerInnen herauszuarbeiten und so das Bewusstsein der Lernenden für bestimmte Charakteristika des muttersprachlichen Englischen zu schärfen und sie selber erkennen zu lassen, inwieweit ihr Sprachgebrauch von dem der MuttersprachlerInnen abweicht bzw. ihm nahe kommt. Eine ähnliche Vorgehensweise wäre sicher auch im Rahmen eines E-Mail-Projektes im DaF-Unterricht erwägenswert, sofern es beabsichtigt ist, einen intensiven Fokus auf die sprachliche Form zu richten. Voraussetzung dafür wäre freilich die Beteiligung deutscher Muttersprachler an dem Projekt, was wiederum ein recht fortgeschrittenes Lernniveau bei den nicht-muttersprachlichen Teilnehmern nahezu unabdingbar macht (vgl. 4.2.2.).

Ganz anders hat sich Sporea (1993) der Sprache der E-Mail-Briefe genähert: Sie hat einige Briefe amerikanischer MuttersprachlerInnen an ihre deutschen E-Mail-PartnerInnen im Hinblick auf die sprachlichen Funktionen (im Sinne des Bühlerschen Kommunikationsmodells, das die drei sprachlichen Grundfunktionen Referenz bezüglich der außersprachlichen Welt, Ausdruck bezgl. des Senders und Appell bezgl. des Empfängers unterscheidet) analysiert, die darin realisiert werden, und das gleiche auch mit Lehrbuchtexten getan, also sprachlichem Material, mit dem die Lernenden im herkömmlichen Unterricht sonst konfrontiert worden wären. Ihr Vergleich dieser beiden Textsorten führt zu dem Ergebnis, dass die referentielle Funktion, die in den untersuchten Lehrbuchtexten 85 % des Umfangs einnimmt, in den E-Mail-Briefen mit 55 % deutlich schwächer repräsentiert ist. Wesentlich stärker vertreten sind in der E-Mail-Korrespondenz hingegen die Ausdrucksfunktion mit 29 % des Umfanges (13 % in den Lehrbuchtexten) sowie die appellative Funktion mit 15 % (2 % im Lehrbuch). Da die Autorin davon ausgeht, dass zur "allgemeinen Kommunikationsfähigkeit", die der Fremdsprachenunterricht vermitteln sollte, alle drei Funktionen gehören, plädiert sie für den verstärkten Einsatz von E-Mail im Unterricht parallel zur Lehrbuchlektüre. Nun ist es natürlich sicher nicht zwingend erforderlich, die Ausdrucks- und Appellfunktion der Sprache unbedingt per E-Mail zu vermitteln. Bedenkt man aber, dass diese Funktionen insbesondere in der persönlichen, zwischenmenschlichen Kommunikation zum Tragen kommen und dass E-Mail-Projekte im Gegensatz zu vielen anderen Unterrichtsaktivitäten gerade diese Art von Kommunikation ermöglichen, so erscheint Sporeas Plädoyer durchaus erhörenswert.

In einer weiteren Untersuchung zur englischen E-Mail-Sprache beschäftigt sich Vuß (1993) mit dem verwendeten Vokabular, wobei sie sich insbesondere fragt, wie umgangssprachlich der E-Mail-Wortschatz sei. Kurz gefasst kommt sie zu dem Ergebnis, dass die zwischen den amerikanischen und den deutschen PartnerInnen ausgetauschten E-Mail-Briefe einen wesentlich höheren Anteil an "colloquial English" enthalten als herkömmlicherweise im Unterricht verwendete Texte und dass die Lernenden dadurch zahlreiche Wörter und Wendungen kennen lernen, die ihnen im Unterricht sonst nicht begegnen würden, die jedoch in der muttersprachlichen Kommunikation eine große Rolle spielen. Auch für Vuß hat der E-Mail-Einsatz zumindest im Englischunterricht also einen hohen Bildungswert auch in sprachlicher Hinsicht. Inwieweit sich diese Erkenntnis auf die deutsche E-Mail-Sprache übertragen ließe, ist schwer zu beurteilen und hängt sicherlich auch stark vom sprachlichen Niveau der Korrespondenzpartner ab. Tendenziell würde sich aber wahrscheinlich auch im Deutschen ein Trend zum stärkeren Vorkommen umgangssprachlicher Äußerungen als in herkömmlichen Unterrichtstexten feststellen lassen. Zumindest wäre E-Mail bestimmt nicht das Medium der ersten Wahl, wenn die klassische Hochsprache deutscher Geistesgrößen vermittelt werden sollte.



3.2. Das landeskundliche Curriculum

Nicht alle landeskundlichen Themen sind für die Bearbeitung im Rahmen eines E-Mail-Projektes gleichermaßen geeignet. Damit zwischen den Beteiligten ein fruchtbarer Austausch über ein bestimmtes Thema stattfinden kann, müssen sie zu diesem Thema auch etwas zu sagen haben. Natürlich kann ein Projekt auch so ausgerichtet sein, dass von den einzelnen Klassen jeweils zunächst Informationen recherchiert und dann den Partnern mitgeteilt werden. Diese wissenschaftlichere Herangehensweise dürfte am ehesten für fächerübergreifende Projekte (vgl. 2.3.3. und 4.2.6.) und fortgeschrittene Lernende in Betracht kommen. In der Regel wird jedoch das Hauptaugenmerk darauf gelegt werden, dass die Lernenden Einsichten zur Landeskunde aus der Sicht von Einheimischen des jeweiligen Zielraumes, also "aus erster Hand" vermittelt bekommen. Am interessantesten und auch am validesten sind diese Einsichten freilich, wenn es sich um einen Aspekt der Landes- bzw. Kulturkunde handelt, von dem die ProjektteilnehmerInnen persönlich möglichst unmittelbar betroffen sind (vgl. Deppermann und Hartmann 1993: 93). Es eignen sich also besonders Themen aus dem Alltag, aus der Lebenswirklichkeit der betreffenden Adressatengruppe, also etwa der Jugendlichen, wenn es sich um ein Projekt zwischen Schulklassen handelt. Ergiebig könnte auch ein Austausch über besonders kontroverse und vieldiskutierte Themen sein, zu denen jeder sein Scherflein beitragen kann. Weniger prädestiniert sind wohl Themen, bei denen es überwiegend um Faktenwissen geht, über das sich schlecht diskutieren lässt, wie etwa bei historischen oder rein statistischen Daten.

Nun muss ein E-Mail-Projekt natürlich nicht zwingend in eine landeskundliche Unterrichtseinheit eingebunden sein. Da aber der E-Mail-Kontakt eben die Möglichkeit bietet, die Informationen aus Lehrbüchern, Videofilmen und ähnlichen Materialien um authentische Stimmen aus dem Lande selbst, idealerweise auch noch von gesellschaftlich und altersmäßig den Lernenden ver-gleichbaren PartnerInnen, zu ergänzen, verspricht diese Technik gerade auch im Landeskundebereich zu einem ernst zu nehmenden Begleitmedium zu werden. Insbesondere dort, wo es um besonders prägnante kulturspezifische Abweichungen in Verhaltensweisen, Einstellungen oder Werten oder um sehr unterschiedliche sozioökonomische Rahmenbedingungen (wie etwa zwischen West- und Osteuropa) geht, wird die direkte Konfrontation der Lernenden mit unmittelbar Betroffenen bei wohlüberlegter Durchführung des Projektes zu erhellenden Einsichten führen.

Darstellung 4
Darstellung 4: Einbettung eines E-Mail-Projekts in den Landeskundeunterricht

Bevor die Kommunikation per E-Mail aufgenommen wird, sollte das betreffende Thema im Unterricht vorbereitet werden. Durch traditionelle Medien oder auch durch Recherchen im World Wide Web erwerben die Lernenden zunächst einen Grundstock an Faktenwissen. Auf der anderen Seite wird zusammengetragen, was die SchülerInnen bereits an, wahrscheinlich oft recht stereotypen, Vorstellungen zum Thema mitbringen. Wenn es um kulturelle Phänomene wie etwa Kleidung, Ernährungsgewohnheiten oder Arbeitsverhalten geht, so wird dabei sicherlich schon einiges zusammenkommen.

Anschließen sollte sich eine Reflexion über das so Erarbeitete. Die Lernenden könnten sich überlegen, was ihnen an dem fraglichen Phänomen noch unverständlich ist, wo ihr Bild Lücken aufweist und was sie zwar sachlich nachvollziehen, auf Grund ihrer eigenen kulturellen Prägung aber emotional nicht recht fassen können. Sodann wird formuliert, was man von den PartnerInnen wissen möchte.

Nun kann der eigentliche Austausch stattfinden: Die eigenen Fragen werden in Briefe gefasst und per E-Mail abgeschickt, Fragen von den anderen werden gelesen und beantwortet, eigene Erfahrungen mitgeteilt. Dabei werden einzelne Punkte offen bleiben, außerdem bieten die empfangenen Antworten vielleicht Anlass zu weiteren Nachfragen, so dass die Korrespondenz einige Male hin und her gehen kann, bis aller Wissensdurst und Mitteilungsdrang gestillt ist.

Parallel dazu und im Anschluss daran werden die Mitteilungen aus dem Ausland im Unterricht ausgewertet und zu dem anfangs Zusammengetragenen in Beziehung gesetzt. Dabei wird das Faktenwissen erweitert und in Teilen vielleicht auch revidiert und aktualisiert, und an die Stelle der Stereotypen wird hoffentlich ein differenzierteres Bild von der anderen Kultur treten.



3.3. Die Motivation der Lernenden

Als eines der wichtigsten Motive für den E-Mail-Einsatz im Fremdsprachenunterricht wird von praktisch allen Autoren angeführt, dass die Motivation der Lernenden dadurch gesteigert werden kann, mitunter sogar erheblich. Eck, Legenhausen und Wolff (1995: 116) führen etwa das Beispiel einer "leistungsmäßig sonst dem unteren Mittelmaß angehörende[n] Schülergruppe" an, die bei der Teilnahme an einem E-Mail-Projekt zu ungeahnter Höchstform aufläuft und einwandfreie Texte produziert. Begründet wird dies damit, dass das Wissen darum, mit "realen Partnern" zu kommunizieren, eine "ausgesprochen fördernde Wirkung auf die Schreibhaltung" der Lernenden habe. Dass "reale Kommunikationspartner als interessierte Leser vorhanden waren", hält analog auch Donath (1994b: 12) für "ungemein motivierend".

Eck, Legenhausen und Wolff (1995: 170ff.) haben auch durch eine SchülerInnenbefragung zu ermitteln versucht, wie sich die Teilnahme an einem E-Mail-Projekt im Englischunterricht auf ihre Motivation ausgewirkt hat. Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache: 65,4 % der Befragten bewerten die "Interessantheit" des Projektes mit den Noten 1 oder 2 auf einer siebenstelligen Skala, wobei 1 für den positivsten Wert steht (177), 67,9 % geben dem "Spaß", den ihnen das Projekt gemacht hat, die Noten 1 oder 2 und ganze 90,2 % bezeichnen das Projekt als "eine wichtige Abwechslung von der täglichen Unterrichtsroutine". Deutlich geht aus dieser Untersuchung auch hervor, was die SchülerInnen so sehr begeistert: 85,7 % bejahen, dass sie bei dem Projekt das "Austauschen von Meinungen und Ansichten mit Menschen aus anderen Ländern" interessiert hat.

Zu ähnlich erfreulichen Ergebnissen gelangen auch Dietze und Müller (1993: 84ff.). 81,2 % der in vergleichbarem Zusammenhang von ihnen befragten SchülerInnen hatten "durch electronic mail mehr Spaß am Englischunterricht gehabt" und ganze 96 % möchten öfter oder wenigstens genauso oft "im Englischunterricht mit electronic mail arbeiten". Kein einziger gab an, gar nicht mit E-Mail arbeiten zu wollen.



4. Methodik des E-Mail-Einsatzes

So weitgefächert die möglichen Anknüpfungspunkte von E-Mail-Projekten an die fremdsprachlichen Curricula, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten, wie mit diesem neuen Medium umgegangen werden kann. Für jedes Projekt sind eine Vielzahl von Parametern zu setzen und die wichtigsten dieser Entscheidungsvariablen werden in 4.2. vorgestellt.

Zuvor soll 4.1. noch beleuchten, inwiefern die Rolle der Lehrenden bei der Durchführung eines E-Mail-Projekts von ihren Aufgaben im herkömmlichen Unterricht abweicht.



4.1. Zur Rolle der Lehrenden

Bereits bei der Planung eines E-Mail-Projekts muss der Lehrende anders vorgehen, als er es in der Regel von seinem konventionellen Unterricht her gewohnt sein dürfte: Er muss das Projekt in kooperativer Zusammenarbeit mit den ausländischen Partnern vorbereiten. Dass dies mehr Aufwand erfordert als die völlig selbstständige Vorbereitung des herkömmlichen eigenen Unterrichts, versteht sich von selbst. Auch sollte das Projekt so präzise wie irgend möglich vorgeplant werden, damit alle Beteiligten eine verlässliche Grundlage für ihre Unterrichtsgestaltung an der Hand haben. Fehlplanungen, die sich in der Durchführungsphase eines E-Mail-Projekts herausstellen, lassen sich schließlich nicht mehr so einfach korrigieren wie in einem Unterricht, in dem die einzelne Lehrperson allein "Herr (oder Frau) im Hause" ist.

Sofern die SchülerInnen nicht bereits mit E-Mail vertraut sind, müssen die Lehrenden neben ihrer eigenen Einarbeitung auch die Klasse zunächst in die Technik einführen, bevor zum Inhaltlichen übergegangen werden kann. Im traditionellen, Buch-basierten Unterricht stellen sich solche Aufgaben den Lehrkräften üblicherweise nicht.

Ist das Projekt dann erst einmal am Laufen, so muss sich der Lehrende damit zurechtfinden, dass nun nicht er mehr der primäre Adressat dessen ist, was seine SchülerInnen im Unterricht produzieren - diese schreiben jetzt schließlich in erster Linie für ihre E-Mail-PartnerInnen. Auch besitzt die Lehrperson wenig oder gar keinen Einfluss auf die Texte, die die SchülerInnen von ihren KorrespondenzpartnerInnen erhalten. Sie kann also nicht mehr in vollem Umfang über die Auswahl des in ihrem Unterricht verwendeten Textmaterials selbst verfügen. Dies alles kann für einen Lehrenden, der es gewohnt ist, in seinem eigenen Unterricht den Mittelpunkt zu repräsentieren, durchaus eine gewöhnbedürftige Erfahrung sein (dies beschreibt etwa Lichte 1994: 388 aus seiner Erfahrung im Englischunterricht). Primäre Aufgabe der Lehrkraft während der Projektdurchführung sollte es nunmehr sein, den Kommunikationsprozess der SchülerInnen mit ihren E-Mail-PartnerInnen unterstützend zu begleiten und ihnen an die Hand zu geben, was sie benötigen, damit diese Kommunikation möglichst reibungslos und erfolgreich verläuft.

Dazu gehört freilich auch, dass sie die SchülerInnen dahingehend zu besonderer Disziplin anhält, dass sie mit den Partnern vereinbarte Fristen für den Schriftwechsel unbedingt einhalten. Und natürlich muss der Lehrende selbst in ständigem Kontakt zu seinen beteiligten KollegInnen stehen, damit eventuelle Probleme sofort zur Sprache gebracht und im Idealfall ausgeräumt werden können.

Ein sehr erfreuliches Fazit dazu, wie sich sein Unterricht durch die Beteiligung an einem E-Mail-Projekt verändert hat, zieht Halonen (1995): "Wir, die Schüler und ich, kamen uns immer näher und die Stimmung im Unterricht wurde viel lockerer und gemütlicher." Bleibt zu wünschen, dass er mit dieser Erfahrung nicht der Einzige sein wird!

Nicht unerwähnt bleiben soll hier auch, dass sich für die Lehrenden die Frage der Bewertung der LernerInnenleistungen im E-Mail-Projekt stellt, sofern eine solche vorgesehen ist. Ohne dies im Detail erörtern zu wollen, wäre eine Möglichkeit, Texte, die im Rahmen der Korrespondenz oder als Ergebnisse des Projektes entstanden sind, nach Aufsatzmaßstäben zu bewerten. Dafür spricht sich etwa Vilmi (1994: 5) aus. Denkbar und vielleicht durchaus eine Erprobung wert wäre aber auch, dass die jeweiligen PartnerInnen gegenseitig ihre Produkte bewerten, nachdem im Unterricht vorher Kriterien für eine solche Bewertung erörtert worden wären. Verschiedene deutsche Autoren (Goethe-Institut [o.J.]b: 2; Lichte 1994: 389) verweisen auch auf die Möglichkeit, Klassenarbeiten im Zusammenhang mit dem Projekt zu stellen, unterbreiten aber leider keine näheren Vorschläge dazu.



4.2. Entscheidungsvariablen für E-Mail-Projekte

Am Anfang eines jeden E-Mail-Projektes sollte eine möglichst klare Zielsetzung stehen, die der Lehrende damit verfolgen möchte. Der nächste Schritt wäre folglich, zu überlegen wie diese Zielsetzung wohl am besten erreicht werden könnte. Dazu sollte sich der Lehrende die Vielzahl der Faktoren bewusst machen, die ein E-Mail-Projekt determinieren, und sie solcherweise ausgestalten, dass das Resultat ein möglichst treffsicheres Erreichen der Zielsetzung erwarten lässt.

Darstellung 5
Darstellung 5: Übersicht über Entscheidungsvariablen für E-Mail-Projekte

Diese Übersicht zeigt deutlich, dass zahlreiche Entscheidungen zu treffen sind, bevor ein E-Mail-Projekt steht. Allerdings ist zu vermuten, dass einige davon wohl häufig eher unbewusst getroffen werden, indem die jeweils andere Alternative gar nicht erst in Erwägung gezogen wird. Damit dies nicht so sein muss, werden die verschiedenen Entscheidungsvariablen im Folgenden einzeln vorgestellt und erläutert - wobei die vorliegende Darstellung keinerlei Anspruch auf endgültige Vollständigkeit erhebt.



4.2.1. Zeitraum

Der zeitliche Rahmen eines E-Mail-Projekts kann theoretisch zwischen einem kurzen, aber intensiven Austausch während weniger Projekttage und einem Langzeitprojekt variieren, das ein ganzes Semester oder Unterrichtsjahr begleitet. Im Normalfall wird ein E-Mail-Projekt jedoch einige Wochen bis wenige Monate dauern und in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit einer Unterrichtseinheit stehen, die in diesem Zeitraum behandelt wird.

Ein besonders kurzzeitiges Projekt könnte sich entweder als "Schnupperprojekt" zum Einstieg in die Arbeit mit E-Mail anbieten oder als spezieller Höhepunkt in einem Unterricht, der ansonsten zeitlich oder organisatorisch keinen Raum für so etwas bietet.

Ein sehr langfristiges Projekt hingegen könnte zum einen weitgehend vom sonstigen Unterricht entkoppelt stattfinden und den Lernenden einfach Gelegenheit zur kontinuierlichen, praktischen Anwendung der Fremdsprache geben. Solche Projekte werden auch des Öfteren durchgeführt, ein englischsprachiges Beispiel wäre der Austausch zwischen den Universitäten Münster und Shizuoka, der in 2.3.2. angeführt wurde. Andererseits könnten sich zwei verschiedene DaF-Klassen längerfristig zusammentun, wenn ihre Curricula eng aufeinander abgestimmt wären und sie den permanenten E-Mail-Kontakt als ein Instrument zur Steigerung der Relevanz und Attraktivität des DaF-Unterrichts für ihre SchülerInnen einsetzen wollten. Beispiele für solch eine Vorgehensweise sind in der hier erfassten Literatur jedoch bislang nicht zu finden.



4.2.2. Beteiligung von MuttersprachlerInnen?

Der erste Gedanke vieler, wenn es um E-Mail-Projekte geht, ist wohl die authentische Kommunikation mit MuttersprachlerInnen und der Austausch über den im Fall des DaF-Unterrichts deutschsprachigen Kulturraum. Dass dies jedoch keineswegs immer so sein muss, zeigt etwa das Beispiel des Projekts "Das Bild des Anderen" (vgl. 2.3.1.).

Kommunizieren DaF-Lernende unterschiedlicher Muttersprache auf Deutsch miteinander, so geht zwar das authentisch Muttersprachliche in der Kommunikation verloren, doch dürfte - gerade auch im Anfängerunterricht - vorrangig sein, dass die empfangenen E-Mail-Briefe auch wirklich verstanden werden. Wenn MuttersprachlerInnen schreiben, ist nicht grundsätzlich gewährleistet, dass die DaF-LernerInnen deren Deutsch verstehen können. Bei einem Austausch zwischen DaF-Lernenden kann auf ein vergleichbares sprachliches Niveau der PartnerInnen geachtet und so Überforderung und Demotivation vermieden werden.

Hinzu kommt, dass es nicht immer leicht sein soll deutsche Partner zu finden. Offenbar ziehen es die in Frage kommenden deutschen SchülerInnen häufig vor, ihre eigenen Fremdsprachenkenntnisse zu erproben, und wünschen sich folglich eine Kommunikation auf Englisch oder Französisch. Natürlich wären auch Projekte denkbar, bei denen beide Partner in ihrer jeweiligen Fremdsprache schreiben, die dann die Muttersprache des anderen wäre, oder bei denen die Korrespondenzsprache beispielsweise wöchentlich wechselt. Auf solche Projekte soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden.



4.2.3. Bi- oder Multilateralität

E-Mail-Projekte sind sowohl bilateral, d.h. zwischen genau zwei beteiligten Gruppen, möglich als auch multilateral, mit mehreren auswärtigen Partnern. Dabei ermöglicht ein bilaterales Projekt gewiss eine feinere Abstimmung der Partner untereinander und ein stärkeres Eingehen auf die konkreten Wünsche der Beteiligten, da nur die Interessen zweier Seiten unter einen Hut gebracht werden müssen. Die Zusammenarbeit kann somit enger sein, und dies dürfte ein bilaterales Projekt besonders für den Anfängerunterricht prädestinieren, wo es wünschenswert wäre, sich so eng wie möglich an den konkreten Fähigkeiten der Lernenden zu orientieren, oder auch für die Vorbereitung einer persönlichen Begegnung oder die sehr intensive Zusammenarbeit über ein bestimmtes Thema, möglicherweise im Rahmen eines fächerübergreifenden Projektes (vgl. 4.2.6.).

Die Vorteile multilateraler Projekte liegen demgegenüber in einer größeren Vielfalt der Erfahrungshorizonte, die die verschiedenen TeilnehmerInnen einbringen - ein Thema wird aus einer größeren Vielzahl von Blickwinkeln beleuchtet -, und es ist nicht so folgenschwer, wenn einer der Beteiligten aus irgendwelchen Gründen, seien es Ferien am betreffenden Standort oder Zeitmangel im Unterricht, ausfällt. Die übrigen Partner werden das Projekt dann trotzdem noch fortführen können. Allerdings erfordert es in der Vorbereitungsphase sicher einen höheren Koordinationsaufwand, mehr als zwei Partner unter einen Hut zu bringen.



4.2.4. Einzel- oder Gruppenarbeit

Eine grundsätzliche Frage zur Arbeitsweise mit E-Mail im Unterricht ist die, ob jeder Schüler mit einem ganz persönlichen Partner kommunizieren soll oder ob es sinnvoller wäre, in Kleingruppen zusammenzuarbeiten. Letzteres ist die Vorgehensweise in den allermeisten literarisch belegten Projekten gewesen. Das mag unterschiedliche und nicht zwingend nur didaktische Hintergründe haben. So hat sich Tella (1991: 111) für gruppenweise Kommunikation entschieden, weil an der Schule, die er beschreibt, nicht für jeden Lernenden ein eigener Computer zur Verfügung gestanden hätte. Aber Gruppenarbeit befördert in vielen Fällen sicher tatsächlich den Erfolg in der Kommunikation; kann sie den Einzelnen doch über ihre jeweils persönlichen sprachlichen Unsicherheiten hinweghelfen, und wie so oft, wenn Gruppen im Sprachunterricht gemeinsam produktiv sind, ist von einer höheren Produktivität und damit gesteigerten Qualität und Quantität der Ergebnisse auszugehen.

Natürlich gibt es dennoch Projekte, bei denen Einzelne miteinander kommunizieren, so im aus 2.3.1. bekannten "Das Bild des Anderen". Dort ist diese Vorgehensweise sicherlich angebracht, da sich jeder mit demjenigen austauschen kann, der auch in der anschließenden persönlichen Begegnung sein Gast bzw. Gastgeber sein wird. Außerdem stellt Einzelarbeit sicher, dass sich wirklich jeder aktiv einbringen muss und niemand sich hinter die Gruppe zurückziehen kann. Wer dann allerdings größere Schwierigkeiten hat, kann auch nicht auf Unterstützung durch andere Gruppenangehörige zurückgreifen, sondern ist ganz auf sich allein gestellt. Möglicherweise ist in diesem Fall auch häufigere Hilfestellung durch die Lehrkraft erforderlich.



4.2.5. Festlegung der Inhalte

Ein E-Mail-Projekt kann ein von vornherein festgelegtes Thema zum Gegenstand haben, eine Aufgabe, die die Lernenden erfüllen sollen, oder aber es wird den Lernenden zumindest in gewissem Rahmen freigestellt, selber mit ihren PartnerInnen die Inhalte ihrer Kommunikation auszuhandeln. Letztere Variante lässt den Lernenden größeren Spielraum, ihre persönlichen Interessen einzubringen, und könnte so zu einer stärkeren Identifikation der SchülerInnen mit ihrem Projekt und höherer Motivation führen.

Andererseits könnten gerade AnfängerInnen, deren Kommunikationsfertigkeit in der Fremdsprache sich noch sehr in Grenzen hält, mit solch einem Aushandlungsprozess bereits überfordert sein. Klare Vorgaben seitens der Lehrenden würden ihnen den Einstieg in das Projekt sicherlich erleichtern. Auch könnte allgemein eine wohldurchdachte Vorstrukturierung der Projektinhalte seitens der Lehrenden ein reibungsloseres Erreichen der angestrebten Ergebnisse unterstützen.

Davon abgesehen, lassen natürlich zahlreiche Projekte schon von der Konzeption her gar keine weitreichende Flexibilität zu, wenn sie etwa an eine bestimmte landeskundliche Unterrichtseinheit gekoppelt sind oder interdisziplinär in Verbindung mit einem Sachfach durchgeführt werden (vgl. 4.2.6.). Das heißt jedoch nicht, dass den Lernenden nicht auch hier die Möglichkeit zu individueller Schwerpunktsetzung innerhalb des thematischen Rahmens gewährt werden sollte.



4.2.6. Interdisziplinarität

Wie schon aus 2.3.3. zu ersehen war, muss ein E-Mail-Projekt nicht zwingend auf den Fremdsprachenunterricht allein beschränkt sein. Vielmehr kann es auch interdisziplinär in Verbindung mit einem Sachfach (z.B. Sozialkunde, Geschichte, Geografie, Wirtschaft) durchgeführt werden. Dadurch wird das Gefühl vermieden, das Projekt finde ausschließlich statt, damit die SchülerInnen zur Anwendung der gelernten Fremdsprache gezwungen werden. Hingegen wird die Sprache dann als reines Werkzeug gebraucht, dass der Verständigung über die sachfachlichen Inhalte dient, genau wie es im alltäglichen, außerunterrichtlichen Sprachgebrauch auch so häufig der Fall ist.

Solch ein fächerübergreifendes Projekt setzt allerdings in der Regel bereits ein hohes sprachliches Niveau bei den Beteiligten voraus, damit die fachliche Kommunikation störungsfrei verlaufen kann, zudem muss im Fremdsprachenunterricht vor Projektbeginn möglicherweise propädeutisch in die Fachsprache der jeweiligen Disziplin eingeführt werden. Natürlich erfordert die Koordination zwischen Sprach- und Fachunterricht auch wiederum einen höheren organisatorischen Einsatz als ein reines Sprachunterrichtsprojekt.



4.2.7. Kontrolle durch die Lehrenden

Eine wichtige Frage bei der Durchführung eines E-Mail-Projektes ist die, inwieweit die von den Lernenden produzierten Texte von den Lehrenden kontrolliert und korrigiert werden sollen, bevor sie abgeschickt werden. (Die Option, dass die sprachliche Form der Texte unabhängig von einer solchen Vorab-"Zensur" im Unterricht thematisiert wird, steht hier nicht zur Diskussion, vgl. dazu vielmehr 3.1.2.).

Findet eine solche Kontrolle nicht statt, so schreiben die SchülerInnen möglicherweise risikofreudiger und "freier von der Leber weg", während eine Zensur sie in ihrem Schwung wohl eher bremsen dürfte. Andererseits wäre es gerade in einem Projekt unter Nicht-MuttersprachlerInnen sicherlich wünschenswert, dass die EmpfängerInnen sprachlich einwandfreie Texte erhalten. Auch werden sich viele Lernende weniger scheuen ihre Produkte loszuschicken, wenn sie keine Angst davor zu haben brauchen, dass ihre elektronischen Briefe fehlergespickt die Adressaten erreichen.

Außerdem wäre zu untersuchen, ob das Wissen um eine Kontrolle durch die Lehrperson die SchülerInnen nicht dazu bewegen würde, selbst schon stärker auf die sprachliche Qualität ihrer Texte zu achten. Allerdings könnte das auch gerade dann der Fall sein, wenn die Lernenden eben wissen, dass es niemanden mehr gibt, der ihre Texte verbessert, so dass also sie allein all ihre Fehler gegenüber den EmpfängerInnen zu verantworten hätten.

Immer wieder wird auch darauf hingewiesen (so in Debacher 1996b), dass es Lehrende gibt, die ihren Schützlingen keine Texte zumuten wollen, die zu umgangssprachlich abgefasst sind oder in denen gewisse persönliche Einstellungen mit besonderem Überschwang vorgetragen werden. Daran sollen durchaus schon Projekte gescheitert sein, zumindest im Bereich des Englischen. Ob aber Zensur das adäquate Mittel ist, dem abzuhelfen, sei dahingestellt - die SchülerInnen im Vorfeld des Projektes für diese Problematik zu sensibilisieren (vgl. 2.2.4.), kann aber bestimmt nicht schaden.



4.2.8. Einsatz weiterer Medien

Niemand schreibt vor, dass in einem E-Mail-Projekt ausschließlich elektronische Post ausgetauscht werden darf. Wenn die Beteiligten den damit verbundenen Aufwand nicht scheuen, können selbstverständlich begleitend auch andere Medien zum Einsatz kommen. So können insbesondere Bilder oder andere grafische Darstellungen (z.B. Karten und Pläne), Ton- und Videoaufnahmen ausgetauscht werden. Diese können entweder auf dem Postweg oder, bei Vorliegen der technischen Voraussetzungen und überschaubarem Umfang, auch auf elektronischem Wege übermittelt werden. Anschließend kann dann per E-Mail wiederum Austausch über die Inhalte dieser Begleitmaterialien stattfinden.

Solche Maßnahmen zur Flankierung der reinen E-Mail-Korrespondenz verursachen natürlich Mehraufwand, können das Projekt aber sicher noch interessanter und lebensnäher werden lassen, besonders wenn es darum geht, die PartnerInnen als Personen in ihrer Lebenswelt kennen zu lernen.



4.3. E-Mail als integrale Komponente des DaF-Unterrichts?

Wer die Überzeugung teilt, dass E-Mail-Projekte, sorgfältig geplant und vernünftig durchgeführt, den DaF-Unterricht bereichern und für die Lernenden attraktiver machen können, für den wäre es eigentlich naheliegend, den E-Mail-Einsatz schon von vornherein in seine gesamte Lehrgangskonzeption einzubeziehen, anstatt nur punktuell einzelne Projekte als besondere "Appetithäppchen" in den Unterricht einzubauen. Hier ist ein Vorschlag für eine solche integrale Einbindung von E-Mail-Projekten in eine komplette LernerInnenkarriere:

LERNENDENNIVEAU E-MAIL-PROJEKTFORM
AnfängerInnen Austausch mit DaF-AnfängerInnen in anderem Land über unmittelbare Lebenswelt,
Gruppenarbeit mit enger Begleitung durch die Lehrenden
leicht Fortgeschrittene Kommunikation mit MuttersprachlerInnen zur Vorbereitung eines Besuchs im deutschsprachigen Raum,
Einzelkontakte z.B. zu jeweiligen AustauschpartnerInnen,
besonderer Fokus auf sprachliche Form möglich
Mittelstufe multilaterale, themenzentrierte Diskussionen (nach individueller Interessenslage) in Kleingruppen,
anschließende Publizierung der Ergebnisse
Oberstufe interdisziplinäres Projekt in Verbindung mit Studien- oder weiterem Unterrichtsfach der TeilnehmerInnen,
Sachfachinteresse im Vordergrund - Sprache als reines Mittel zum Zweck

Darstellung 6: Vorschlag zur integralen Einbindung von E-Mail-Projekten in einen Lehrgang für Deutsch als Fremdsprache

Das Medium E-Mail bietet so vielfältige Möglichkeiten für unterschiedliche Projekte, dass sich mit Sicherheit für jedes Lernniveau etwas Passendes finden lässt. Das könnte so aussehen, wie hier skizziert, oder auch ganz anders. Sofern die technnischen Voraussetzungen gegeben sind, wäre es aber bestimmt einen Versuch wert!

Für die Lehrenden brächte solch eine kontinuierliche Durchführung von E-Mail-Projekten auch noch den besonderen Vorteil mit sich, dass sie neben dem Erwerb wertvoller Erfahrung auch die Partner im Ausland immer besser kennen lernen und mit ihnen im Idealfall zu eingespielten Teams werden. So kann dann immer wieder auf bestehende Kontakte zurückgegriffen werden und der organisatorische Aufwand bei der Vorbereitung eines weiteren Projekts verringert sich von Mal zu Mal.



5. Möglichkeiten und Grenzen des E-Mail-Einsatzes im DaF-Unterricht

Dieses Kapitel soll noch einmal die herausragenden Leistungsmerkmale von E-Mail-Projekten im Fremdsprachenunterricht zusammenfassen und zugleich aufzeigen, wo der E-Mail-Einsatz dann aber doch an seine Grenzen stößt.

In 5.2. wird schließlich noch auf den Aufwand eingegangen, der zur Realisierung von E-Mail-Projekten letztlich doch zu betreiben ist.



5.1. Nutzen von E-Mail-Projekten

Wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich geworden sein sollte, kann der Einsatz von E-Mail dem Sprachunterricht in mancher Hinsicht recht fruchtbare Dienste leisten. Andererseits ist auch E-Mail freilich nur ein Medium unter vielen, zwischen denen jeder Lehrende auszuwählen hat, wenn er einen bestimmten Gegenstand in seinem Unterricht vermitteln möchte. So große Stärken die elektronische Post bezüglich bestimmter Unterrichtsziele auch haben mag, so kann sie doch nicht universell für alle Aufgaben des Fremdsprachenunterrichts eingesetzt werden.

E-Mail kann... E-Mail kann nicht...
...zu schriftlichem Sprachgebrauch in authentischen Kommunikationssituationen Anlass geben ...die ganze Bandbreite sprachlicher Interaktionen widerspiegeln
...Schreib- und Lesefertigkeit entwickeln helfen ...gezielten Unterricht von Schreib- und Lesestrategien unnötig machen
...Landeskunde aus der Sicht der "Landeskinder" näher bringen ...die eigene Anschauung durch Aufenthalte im Zielland ersetzen
...die Motivation der Lernenden zumindest vorübergehend steigern ...mangelndes Interesse am Sprachenlernen dauerhaft wettmachen
...die Grenzen des Klassenzimmers überschreiten helfen ...den herkömmlichen, klassenrauminternen Unterricht überflüssig machen

Darstellung 7: Leistungsfähigkeit von E-Mail für den Fremdsprachenunterricht

Diese Zusammenstellung macht noch einmal deutlich, dass E-Mail-Projekte bei aller authentischen Kommunikation, die sie mit sich bringen, eben doch nur einen begrenzten Ausschnitt der kommunikativen Kompetenz abdecken können: Da die Kommunikation ausschließlich schriftlich vonstatten geht, bleibt das Training mündlicher sowie non-verbaler Kommunikationsfähigkeit (von den sogenannten "Emoticons" einmal abgesehen, typografischen Symbolen wie das berühmte ":-)", die zum Ausdruck von Gemütsregungen in E-Mail-Texten dienen) nach wie vor dem herkömmlichen Unterricht überlassen.

Im landeskundlichen Bereich ermöglicht ein E-Mail-Projekt bei angemessener Vor- und Nachbereitung sicherlich prägnantere Einsichten, als sie in der Isolation des Klassenzimmers zu vermitteln möglich wäre. Im besten Fall gelingt den Lernenden ein Blick auf bestimmte Phänomene der Zielkultur durch die Augen der Einheimischen. Die ganz persönliche eigene Anschauung, wie sie nur ein Aufenthalt im betreffenden Lande bieten kann, lässt sich jedoch auch durch noch so dicke Glasfaserkabel nicht ins Klassenzimmer holen.

Und was die Motivation anbetrifft, so scheint E-Mail bei zahlreichen Lernenden zumindest vorübergehend tatsächlich die Begeisterung für den Fremdsprachenunterricht steigern zu können. Vielleicht bekommt auch der eine oder andere durch die Kommunikation mit interessanten E-Mail-PartnerInnen wirklich den entscheidenden Anstoß, den er braucht um im Unterricht bei der Stange zu bleiben. Aber auch E-Mail kann natürlich nicht garantieren, dass sich die Herzen aller Lernenden dauerhaft der fremden Sprache öffnen werden.



5.2. Kosten von E-Mail-Projekten

So viel Nutzen E-Mail-Projekte auch bringen mögen, ihre Vorbereitung und Durchführung erfordert einiges an Aufwand, der erst einmal investiert werden will und den sicher nicht alle Lehrenden zu erbringen bereit sind. In vielen Unterrichtskontexten wird es auch strukturell gar nicht erst möglich sein, diesen Aufwand zu leisten.

Materieller Aufwand Beschaffung der technischen Ausstattung
Organisatorischer Aufwand Partnersuche und Abstimmung des Projekts,
Lösen auftretender Probleme
Zeitlicher Aufwand Verlust sonst anderweitig nutzbarer Unterrichtszeit,
zusätzlicher Arbeitsaufwand für Einarbeitung und Planung
Ideeller Aufwand Einschränkung der "Hoheit" des Lehrenden über seine Klasse durch Beteiligung außen stehender Dritter

Darstellung 8: Für den E-Mail-Einsatz im Unterricht zu betreibender Aufwand

Im materiellen Bereich wird der einzelne Lehrende im Regelfall wenig Einfluss auf den Aufwand haben, den seine jeweilige Institution zu treiben bereit ist. Aber ohne Internetanschluss und die minimalste Computerausstattung nützt auch die schönste Projektidee nichts.

Der organisatorische Aufwand hingegen sollte keine übermenschlichen Kräfte erfordern, aber etwas Geduld und Frustrationstoleranz wären sicherlich nicht fehl am Platz, vor allem wenn zum ersten Mal E-Mail-Erfahrungen gesammelt werden.

Zeitlich dürfte besonders schwer wiegend ins Gewicht fallen, dass E-Mail-Projekte Unterrichtszeit binden, die dann nicht mehr für andere Inhalte zur Verfügung steht, welche möglicherweise für den jeweiligen Lehrgang unverzichtbar sind. Bereitet ein Kurs etwa auf eine bestimmte Prüfung vor, so wird ein E-Mail-Projekt bei all seinen Reizen wohl doch nicht allzu viel zum Erreichen des unmittelbaren Kurszieles, also der erfolgreichen Prüfungsbewältigung beitragen. Ob ein Lehrender in solch einer Situation kostbare Unterrichtszeit zu investieren bereit wäre und ob die SchülerInnen es ihm angesichts des auf ihnen lastenden Prüfungsdrucks danken würden? Natürlich ist nicht völlig ausgeschlossen, dass ein sehr gut durchdachtes E-Mail-Projekt auch in eine gezielte Prüfungsvorbereitung miteinbezogen werden könnte, doch soll solch ein spezieller Fall hier nicht weiter erörtert werden.

Nicht zuletzt muss auch jeder Lehrende für sich selbst entscheiden, wie viel von seiner "Oberhoheit" über den Unterricht in seiner Klasse er abzutreten bereit ist, wenn er sich durch die Teilnahme an einem E-Mail-Projekt zwangsläufig dazu verpflichtet, seinen eigenen Unterricht mit den Projektpartnern abzustimmen.



6. Schlussbetrachtung

Niemand wird kategorisch bestreiten wollen, dass das Medium E-Mail ein neues Angebot an den Fremdsprachenunterricht darstellt, das diesen bereichern kann und dessen Einsatz sich lohnt.

Noch verfügt allerdings ein Großteil der Lehrenden über keine oder nur sehr geringe Erfahrung im Umgang mit dieser neuen Kommunikationstechnologie, geschweige denn mit deren Anwendung im Unterricht. Zunächst müssten also die Lehrenden selbst Fortbildung genießen bzw. sich autodidaktisch in die Technik und Didaktik der elektronischen Post einarbeiten, bevor sie dann mit E-Mail-Projekten wiederum die Bildung ihrer Schützlinge im Sprachunterricht befördern können.

Es sollte auch daran erinnert werden, dass die fremdsprachenpädagogischen Einsatzmöglichkeiten von E-Mail als recht jungem Medium mit Sicherheit noch nicht allesamt ausgelotet sind. Bis es so weit sein kann, werden noch jede Menge Experimente erforderlich sein, deren erwartungsentsprechender Ausgang sicher nicht immer gewährleistet ist, so dass Reibungsverluste im Einzelfall durchaus einzukalkulieren wären. Andererseits können weniger experimentierfreudige Lehrende mittlerweile aber auch schon auf einen relativ vielfältigen Schatz erprobter und dokumentierter Projekte zurückgreifen, deren erfolgreichem Einsatz wenig im Wege stehen dürfte.

Vor allem besteht jedoch weiterer wissenschaftlicher Forschungsbedarf, ganz speziell zum E-Mail-Einsatz im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Fundierte Erkenntnisse darüber, welches Projekt was für einen echten Gewinn für die Lernenden abwirft, sind hier leider noch Mangelware. Jedoch ist eine gründliche wissenschaftliche Aufarbeitung dieses spannenden Gegenstandes wohl unabdingbare Voraussetzung dafür, dass E-Mail von einer aktuellen Mode in der Tat zu einer anerkannten Methode im DaF-Unterricht von heute und morgen werden kann.



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Anmerkungen zur Zitierweise

Das Internet ist ein dynamisches Medium, mit allen positiven und negativen Konsequenzen für die dort verfügbaren Informationen. Es bietet einen reichhaltigen, aktuellen Wissensschatz, doch ist dieser vergänglicher als traditioneller, papierner Bibliotheksbestand. Was heute unter einer bestimmten Adresse zu finden ist, kann morgen "unbekannt verzogen" sein, zur Unkenntlichkeit verändert, gänzlich aus dem Netz verbannt oder ist aus technischen Gründen nicht mehr erreichbar.

Daher kann für die zeitlose Gültigkeit der in der Bibliographie und anderen Kapiteln angegebenen Internet-Adressen naturgemäß leider keine Gewähr übernommen werden. Die Links wurden am 24. Juli 2001 zum letzten Mal überprüft, einige Adressen wurden dabei aktualisiert oder als nicht mehr auffindbar gekennzeichnet. Was in Zukunft geschehen wird, liegt außerhalb der Einflusssphäre des Verfassers. Wer jedoch Veränderungen bei hier zitierten Internet-Adressen bemerkt, dem wäre ich um eine kurze Mitteilung an felix@deutschservice.de sehr dankbar, damit die hier veröffentlichten Angaben korrigiert werden können.

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